Passt „ich“ oder „wir“ in eine wissenschaftliche Arbeit?
Objektive Nachvollziehbarkeit
Viele von uns lernen: Wissenschaft und die Personalpronomen „ich“ und „wir“ (für Forschungsteams) gehören nicht zusammen, da so Neutralität und Objektivität verlorengehen. Und tatsächlich, Sätze wie dieser, transportieren nur eine persönliche Meinung: „Ich denke, dass Madeleine Albright, als Außenministerin gute Arbeit geleistet hat.“ Hierbei handelt es sich um eine subjektive Wertung, die ohne Faktenbezug und transparente Herleitung der Interpretation auskommt. Und damit nicht um Wissenschaft. Anders verhält es sich bei folgender Formulierung: „Im Gegensatz zu Jürgen Habermas vertrete ich die These, dass … Ich stütze mich dabei auf folgende Aspekte …“. Hier hilft das „Ich“ den eigenen Standpunkt zu klären.
Umstritten: Selbstreferenz und Personalpronomen
In der Debatte um das „Ich“ und „Wir“ lassen sich zwei Standpunkte isolieren: Diejenigen, die die Selbstreferenz ablehnen, sehen die Neutralität der Forschung gefährdet. Diejenigen, die sie befürworten, sehen so die Präsenz der forschenden Person(en) sichergestellt. Denn Tatsache ist: ohne menschliches Zutun, keine wissenschaftliche Arbeit! Jenseits dieser beiden Argumente gilt es zu bedenken, dass die Vermeidung der Personalpronomen häufig zu Passivkonstruktionen und Man-Sätzen führt. Gleichzeitig nehmen oft Nominalisierungen zu, da Verben und Adjektive als Hauptworte gebraucht werden. Darüber hinaus werden Objekte häufig in die Subjektposition verschoben, was zu Unklarheiten führen kann. Wer hat denn nun tatsächlich was gemacht?
„Ich“ und „wir“ sparsam und überlegt verwenden
Gegenwärtig lassen sich in der Wissenschaft zwei Trends ausmachen. Der Gebrauch von aktiven Verben nimmt zu und für das „Ich“ oder „Wir“ gibt es etwas mehr Raum. Insbesondere in Einleitung, Schluss und Fußnoten werden die Personalpronomen inzwischen häufig verwendet und toleriert. In den restlichen Kapiteln wird hingegen meist auf sie verzichtet. Egal wie du dich entscheidest, wichtig ist, dass du innerhalb eines Kapitels konsistent bleibst. Und ebenso wichtig: der Verzicht auf „ich“ oder „wir“ ist (noch) kein Gewähr für Wissenschaftlichkeit. Diese wird erst durch eine Offenlegung der Fakten, Methoden/Theorien, Daten sowie eine transparent gestaltete Argumentation sichergestellt.