Wie Achtsamkeit beim Schreiben helfen kann

Du hast sicherlich schon mal was von Achtsamkeit gehört. Und wahrscheinlich auch davon, dass sich hier alles um die Gegenwart dreht. Konkret geht es darum, sich ganz auf den Augenblick einzulassen. Achtsame Personen schweifen mit ihren Gedanken weder in die Vergangenheit noch in die Zukunft. Sie fokussieren sich ganz darauf, was im Moment gerade ist und bewerten es nicht.

Jon Kabat-Zinn gilt als einer der Begründer der Achtsamkeit. Dabei handelt es sich um eine Meditationspraxis, welche die Gegenwart betrachtet und sie weder analysiert noch beurteilt.[1] Letztendlich geht es darum, zur Ruhe zu kommen und sich nicht in quälenden Gedanken zu verlieren.

Du fragst dich wahrscheinlich gerade: Und wie hängt das mit meiner Aufgabe zusammen? Was bringt mir das? Vermutlich hast du schon festgestellt, dass große Schreibprojekte Stress erzeugen. Dieser entsteht meist dadurch, weil wir die Aufgabe als zu groß oder schwierig einstufen. Das Aufschieben erscheint dann als probate Lösung – erhöht aber letztendlich nur den Druck. Gleichzeitig trauen wir oft unseren eigenen Fähigkeiten nicht und befürchten ein schlechtes Endergebnis. Hinzu kommt auch noch oft die Vorstellung, dass Texte sofort sitzen müssten.

Wie eine Wolke am Himmel

Die Praxis der gelenkten Aufmerksamkeit hilft uns, zur Ruhe zur kommen. Sie lässt uns Hingabe gewinnen und lädt so ein, mit dem Schreiben zu beginnen. Die Schreibsituation als solche wird gleichmütig akzeptiert. Alles was zum gewählten Forschungsthema aufsteigt wird notiert, ohne es zu bewerten.[2] Es wird dabei also nicht auf inhaltliche Qualität, eine übersichtliche Gliederung oder eine korrekte Grammatik geachtet. Selbst ein Abschweifen von der gestellten Aufgabe wird nur registriert, nicht verurteilt. Um dann wieder zum eigentlichen Gegenstand zurückzukehren. Du kannst dir das wie eine Wolke am Himmel vorstellen. Du registrierst sie als solche, lässt sie aber weiterziehen. Hakst also nicht tiefer in sie sein. Der Rahmen als solcher, zB.: „Ich arbeite jeden Tag eine Stunde an meinem Text“ wird dabei stets akzeptiert und bejaht. Erst in der nachgelagerten Überarbeitungsphase wird das Geschriebene bewertet und redigiert. Auch hier wird die Aufgabe als solche gleichmütig angenommen. Mit Gleichmut ist übrigens nicht gemeint, dass du gleichgültig werden sollst. Vielmehr geht es um eine gelassene und ruhige Grundstimmung.

Selbstvorwürfe loslassen

Achtsamkeit kann also helfen zur Ruhe zu kommen und die Emotionen zu regulieren. Sie unterstützt auch dann, wenn gerade nicht am Projekt gearbeitet wird. Viele von uns werden nämlich gerade dann von negativen Gedanken überfallen. Es kommen Vorwürfe hoch wie: „Eigentlich sollte ich schreiben …“ oder „Wie kann ich ins Kino gehen, wo ich seit drei Tagen nichts weitergebracht habe?“ Solche Gedanken darfst du ruhig weiterziehen lassen, denn du hast ja einen Fahrplan erarbeitet. Und in diesem führen nur Pausen und Belohnungen zum Ziel. Konkret bedeutet das, die einkalkulierte Netflix-Session wirklich zu genießen oder beim sehnsüchtig erwarteten Konzert mit allen Sinnen dabei zu sein. Wir können nämlich nur in der Gegenwart leben und diese mit Selbstvorwürfen[3] zu füllen, macht nur eins: schlechte Laune.


[1] Jon Kabat-Zinn, Stressbewältigung durch die Praxis der Achtsamkeit (Freiamt 1999).
[2] Diese Herangehensweise ist auch als Freewriting bekannt. Online hier
[3] Selbstvorwürfe sind insgesamt entbehrlich. Sie bereiten nämlich nur Qual und sind nicht einmal produktiv, da sie ja kein Handeln beinhalten. Zielführender ist es zu analysieren: Was hält mich vom Schreiben ab? Was brauche ich, um gut arbeiten zu können? Den so gewonnen Einsichten gilt es dann Konsequenzen folgen zu lassen.  Also Verantwortung zu übernehmen und ins Tun zu kommen.

Lesetipps Achtsamkeit:

Felicitas Holdau (Hg.), Achtsamkeit. Die besten Übungen und Meditationen für mehr Gelassenheit und Lebensfreude (München 2007).

Georg Lolos, Du bist nicht, was du denkst. Wie wir aus negativen Gedankenspiralen aussteigen und den Kopf frei bekommen (München 2019).

Achtsamkeit – eine Einführung für Einsteiger und Skeptiker, online hier